Ein gewaltfreies und konstruktives Miteinander ist das Ziel einer zweiteiligen Trainingsreihe, die Schülern der Klassenstufen fünf und sechs am Gymnasium Ochsenhausen angeboten wird.
Es ist Montagmorgen und eigentlich sollte jetzt Klassenlehrerstunde in der 5c sein. Die 22 Schüler sitzen im Stuhlkreis und erwarten ihren Lehrer. Aber heute ist alles ein wenig anders: „Heute machen wir einmal wieder einen Besuch beim Stamm der Wisistas, die uns Menschen genau beobachten und sich ihre Meinung dazu bilden“, begrüßt Ute Bodenmüller, die Schulsozialarbeiterin am Gymnasium Ochsenhausen, die Schüler. Fasziniert hören die Kinder zu, denn die Rahmenhandlung mit den fremden Wesen, die sich über die Welt der Menschen wundern, kennen die Kids schon von ihrer Klassenolympiade am Beginn des Schuljahrs. Dabei geht es in den folgenden Stunden vor allem um wichtige Verhaltensweisen, die das Miteinander in der Klasse fördern. So lernen die Schüler, ihre Meinung zu vertreten, auch mal Nein zu sagen, ohne dabei ihr Gegenüber zu verletzen. Ich-Botschaften sollen helfen, eigene Gefühle offen auszusprechen. In einer weiteren Stunde stellen die Fünftklässler Einzelbilder zu einem großen Ganzen zusammen. Das Besondere ist, dass jeder nur einen kleinen Ausschnitt zu sehen bekommt und durch Kommunikation mit anderen eine Ordnung herstellen muss. Das Lernziel wird den Kindern am Ende klar: Wir nehmen viele Menschen nur bruchstückhaft wahr. Daraus entstehen unsere Vorurteile, die verletzen können. Haben wir den ganzen Menschen im Blick, können wir ihn besser verstehen und sein Verhalten nachvollziehen.
„Die Übungen zum Zivilcouragetraining konfrontieren die Kinder auf spielerische Weise mit den Herausforderungen, die der Alltag in einer Gemeinschaft mit sich bringt“, erklärt Ute Bodenmüller. Dazu gehört auch, wie man sich in bestimmten Krisensituationen wie Streitereien oder Schlägereien verhält. Laufe ich weg oder schaue nur zu? Mische ich mich ein oder versuche zu schlichten? „Hier lernen die Schüler vor allem auch, wie sie sich als Helfer einbringen können, ohne sich selbst zu gefährden“, betont die Schulsozialarbeiterin.
Sozusagen für Fortgeschrittene gibt es in Klasse sechs einen weiteren Baustein in Sachen soziales Lernen: Bei der Gewaltprävention werden die Kinder diesmal von Beamten der Polizeidirektion Biberach informiert. Dabei geht es zunächst einmal um ganz grundsätzliche Fragen: „Toleranz ist cool, aber was ist Toleranz überhaupt?“ so beginnt Carina Bender, Polizeibeamtin aus Biberach, die dreistündige Gewaltpräventionseinheit in der Klasse 6a. Schnell finden die Sechstklässler heraus, dass man eigentlich schon tolerant ist, wenn man seinen Mitschüler auch dann akzeptiert, wenn er Pickel hat oder eine Brille trägt, die man selber doof findet. „Niemand von uns ist perfekt, man kann bei jedem von uns etwas finden, über das man sich lustig machen kann – und das kann der erste Schritt in Richtung Gewalt sein“, erklärt die Polizistin. Die Schüler lernen, dass man zwischen Gewalt gegen Personen und Gewalt gegen Sachen unterscheidet und beispielsweise Mobbing ein Aspekt seelischer Gewalt ist. Spaß ist nur dann Spaß, wenn wirklich alle darüber lachen können, so das Fazit in der Runde.
Im Kurzfilm „Let’s fight it together“ berichtet ein Vierzehnjähriger, wie er Opfer von Cybermobbing wurde, wie er Handynachrichten und Nachrichten übers Internet bekam, die ihn beleidigten und ihm überall nur noch mit Spott begegnet wurde. Gemeinsam wird überlegt, was der verzweifelte Junge tun kann, um das Cybermobbing zu stoppen. Er geht in die Offensive, indem er sich seiner Mutter anvertraut. „Aber auch Lehrer, Freunde oder die Polizei können Ansprechpartner in einer solchen Situation sein“, betont Carina Bender. Am Ende des Tages hängen bei den Sechstklässlern Plakate, die sich wie Merksätze einprägen lassen: „Was Gewalt ist, bestimmt das Opfer, nicht der Täter“ oder „Miteinander reden ist der größte Feind der Gewalt“. Die Fünfer rücken inzwischen wieder ihre Tische für den Fachunterricht zurecht. Sie wollen heute ganz besonders aufeinander achten.